Umzug ohne Zustimmung des anderen Elternteils?

In der Praxis stellt sich oft die Frage, ob ein Elternteil mit dem gemeinsamen Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils umziehen kann. Mancher Elternteil meint, dem anderen ein Schnippchen schlagen zu können, indem er ohne Vorankündigung mit dem Kind auszieht und/oder das Kind einfach auf seine neue Adresse ummeldet, ohne den anderen zu fragen.

Bei gemeinsamem Sorgerecht (immer bei getrennt lebenden und meistens bei geschiedenen Ehegatten) üben beide Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus, §§ 1671, 1672 BGB. Wichtige Entscheidungen müssen daher von beiden Elternteilen gemeinsam getroffen werden. Gemäß § 1687 Abs. 1 S. 1 BGB ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, „deren Regelung für das Wohl des Kindes von erheblicher Bedeutung ist“, das Einverständnis des anderen Elternteil erforderlich. Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind solche, die nicht häufig vorkommen und auch deshalb in aller Regel erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben oder haben können und in ihren Folgen nur mit einigem Aufwand zu beseitigen sind (vgl. Münchner Kommentar, BGB § 1687 Rn. 3, 6. Aufl. 2012), so z. B. der Schulwechsel, Religionszugehörigkeit, Operationen, ein längerer Auslandsaufenthalt oder eben der Wohnort.

Jeder Umzug verändert die Lebenssituation des Kindes. Bisherige Freunde sind nun zumindest schwerer zu erreichen. Oft ist mit einem Umzug auch ein Schulwechsel verbunden. Deshalb darf ein Elternteil nicht ohne Zustimmung des jeweils anderen mit dem gemeinsamen Kind den Wohnort wechseln. Dies gilt sogar für Umzüge im selben Haus oder die Nachbarschaft, denn der andere Elternteil kann wesentliche Einwände haben, die Berücksichtigung finden und geprüft werden müssen. Über sie kann sich der andere Elternteil nicht einfach hinwegsetzen. Wird die Zustimmung zum Umzug verweigert, muss eine entsprechende gerichtliche Entscheidung über das Familiengericht nach § 1628 BGB eingeholt werden. Die Eltern streiten dann um das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht, ein Teilbereich der elterlichen Sorge.

Stuttgart, 12.02.2013 (Überarbeitung am 27.03.2014)

Tobias Zink, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht aus Stuttgart, ist spezialisiert auf Familienrecht und bloggt regelmäßig auf http://www.ehescheidung-stuttgart.de. Auf Twitter schreibt er unter http://twitter.com/FamRZink

PS : Siehe zur Ummeldung bei der Meldebehörde unseren Artikel vom 27.03.2014.