Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt den Begriff der „einvernehmlichen Scheidung“ nicht, trotzdem wird er im Alltagsgebrauch rege benutzt. Nach unserer Erfahrung ist damit eine Ehescheidung gemeint, bei der beide Ehegatten geschieden werden wollen und es möglichst keinen Streit geben soll
Keinen Streit gibt es dort, wo entweder noch nie Konfliktpunkte aufgetreten sind oder wo diese während der Trennung oder gar zu Beginn der Ehe besprochen und vertraglich geregelt wurden oder werden sollen. Dann wollen die Eheleute nur noch Scheidung und benötigen noch einen Anwalt für „die Förmlichkeiten“. Ohne einen Anwalt geht es nicht, allerdings genügt es, wenn nur der Antragsteller einen Anwalt engagiert. Der andere Ehegatte, der sogenannte Antragsgegner, benötigt keinen Anwalt, wenn er der Scheidung zustimmen will.
Zusammen mit der Ehescheidung wird der Versorgungsausgleich (Rentenansprüche) zwingend angesprochen, es sei denn, die Ehe ist noch nicht drei Jahre alt. Das Gericht holt im Normalfall Auskünfte bei den Versorgungsträgern ein und macht einen Vorschlag für den Ausgleich. Man kann den Vorschlag akzeptieren oder mit Ehevertrag oder anwaltlicher Hilfe verändern. Gibt es über den Versorgungsausgleich keinen Streit, so sprechen viele Scheidungspaare weiterhin von einer einvernehmlichen Scheidung.
Manche sprechen auch dann noch von einer einvernehmlichen Scheidung, wenn zwar die Scheidung von beiden gewollt war, andere Regelungspunkte allerdings außergerichtlich oder gerichtlich erst mühsam geklärt werden mussten, wie z.B. der Unterhalt, die Aufteilung der Vermögens oder der Aufenthalt der Kinder.
Vom Rosenkrieg spricht man wohl, wenn nicht mehr die sachliche Regelung der Scheidungsfolgen im Vordergrund steht (z.B. die Höhe des Unterhalts) sondern der Streit in ganzer Breite geführt wird, weil man sich am anderen Ehegatten „rächen“ will. Man streitet nicht mehr um die Sache, sondern um des Streitens willen, weil Emotionen den nüchternen Blick auf die Abwicklung der Ehe trüben. Rosenkriege werden im Nachhinein fast immer bereut, aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer.
Wie sieht nun die Realität in unserer Kanzlei aus, also das Verhältnis zwischen einvernehmlichen und streitigen Scheidungen? Außenstehende tippen vermutlich auf viele konfliktträchtige und wenige einvernehmliche Scheidungen. Tatsächlich sind bei uns die Hälfte der Scheidungen einvernehmlich, sodann gibt es regelungsbedürftige Scheidungen und vielleicht fünf bis zehn Prozent sind „richtige“ Rosenkriege.
Stuttgart, den 16.05.2016
Tobias Zink, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht aus Stuttgart, ist spezialisiert auf Familienrecht und bloggt regelmäßig auf http://www.ehescheidung-stuttgart.de. Auf Twitter schreibt er unter http://twitter.com/FamRZink