Scheidungsanwalt ist eine häufig verwendete Bezeichnung für einen Anwalt, der seine Mandanten bei Scheidungen vertritt. Mit der Scheidung sind meist noch andere Probleme verknüpft, z.B. Unterhalt, Vermögen, Sorge für die Kinder. Tatsächlich wird der Scheidungsanwalt auf Familienrecht spezialisiert sein und hauptsächlich die Folgen von Trennung und Scheidung regeln.
Die Scheidung an sich: kein Problem
Der Scheidungsantrag verlangt noch kein umfangreiches Fachwissen. Wenn man den Antrag nicht zu früh stellt – also zwölf Monate Trennungszeit abwartet – hat man fast alles richtig gemacht. Scheidungen sind entweder einverständliche Scheidungen (beide stimmen der Scheidung zu) oder streitige Scheidungen. In letzterem Falle muss der Scheidungsanwalt zusätzlich in einigen Sätzen begründen, warum die Ehe zerrüttet ist.
In Stuttgart wird der Scheidungsantrag beim Amtsgericht Stuttgart oder beim Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt eingereicht. Die Berufungsinstanz ist das Oberlandesgericht Stuttgart.
Der Versorgungsausgleich: die höhere Mathematik der Familienrechts
Schon schwieriger wird die Scheidung beim Versorgungsausgleich (Rentenansprüche). Er wird vom Gericht zwingend mit dem Scheidungsverfahren durchgeführt (=Zwangsverbund; bei Auslandsberührungen greift dieser Automatismus eventuell nicht, hier wird der Scheidungsanwalt einen zusätzlichen Antrag stellen.)
Der Versorgungsausgleich dient der Aufteilung von Versorgungsanrechten, also staatlichen oder privaten Rentenansprüchen. Sind diese Versorgungsanrechte beim einen Ehegatten höher als beim anderen, so werden sie nach einem komplizierten System ausgeglichen. Der Versorgungsausgleich ist also die “höhere Mathematik des Familienrechts”.
Viele Anwälte vertrauen zunächst dem Vorschlag des Gerichts. Der Rechenweg folgt ohnehin erst mit dem schriftlichen Urteil – wenn Anwalt und Mandant längst froh sind, dass die Scheidung vollzogen und abgerechnet ist. Dem spezialisierten Scheidungsanwalt haben sich mit der Reform des Versorgungsausgleichs 2009 neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, zum Beispiel Abänderung oder Ausschluss von allen oder bestimmten Anrechten. Hier kann der Scheidungsanwalt im Vorfeld aktiv werden und auf den gegnerischen Anwalt zugehen.
Gerne umstritten: die Trennungs- und Scheidungsfolgen
Den wenigsten Mandanten genügt die reine Scheidung. Fast alle wollen von ihrem Anwalt wissen, ob und wie lange Sie Ihrem Partner Unterhalt bezahlen müssen oder von ihm Unterhalt verlangen können. Die Frage nach dem Unterhalt stellt sich auch bei den gemeinsamen Kindern. Und sie möchten von Ihrem Scheidungsanwalt Auskünfte zum Sorgerecht und zum regelmäßigen Besuch der Kinder (Umgangsrecht). Besitzen die Eheleute ein Haus oder eine Wohnung, so soll dieses gemeinsame Eigentum meist getrennt werden (Vermögensausgleich). Vielleicht stellt sich die Frage, wer nach der Trennung ausziehen muss. Hat ein Ehegatte bis zur Scheidung viel eigenes Vermögen angespart, so möchte der andere wissen, ob und welchen Anspruch er auf dieses Vermögen hat (Zugewinnausgleich). Diese und viele andere Themen können sehr komplex sein und haben mit der Scheidung an sich nichts zu tun. Trotzdem wird sich der Scheidungsanwalt hier gut auskennen.
Einige Monate oder viele Jahre: Verhandeln braucht Zeit
Die Verhandlung über die Scheidungsfolgen kann manchmal einige Jahre dauern, besonders wenn ein Ehegatte vermögend oder selbstständig ist (Unternehmer) oder die Eheleute sehr zerstritten sind. Die Folgen der Scheidung werden dann in einem Ehevertrag geregelt, der als Scheidungsfolgenvereinbarung bezeichnet wird.
Internet-/Online-Scheidung: hier profitiert nur der Anwalt
Zur sogenannten Internet-Scheidung (gerne auch Online-Scheidung genannt) lesen Sie meinen ausführlichen Artikel Was ist eine Online-Scheidung / Internet-Scheidung. Soviel vorab: meistens erfordert eine Trennung eine ausführliche Beratung oder Begleitung durch den Anwalt.
Zusammenfassung
Der Scheidungsanwalt befasst sich also mit der familienrechtlichen Problematik rund um die Ehe oder die Paarbeziehung mit oder ohne gemeinsame Kinder. Der Scheidungsantrag ist schnell gestellt, aber die Regelung der Scheidungsfolgen braucht Zeit. Alleine zwischen der Trennung und der Scheidung müssen mindestens zwölf Monate liegen. Hinzu kommt die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens und das Regeln von Unterhaltsansprüchen, sowohl Unterhalt vor (Trennungsunterhalt) als auch Unterhalt nach der Scheidung (nachehelicher Unterhalt).
Stuttgart, den 20.01.2011
Tobias Zink, Rechtsanwalt aus Stuttgart, ist spezialisiert auf Familienrecht und bloggt regelmäßig unter http://www.ehescheidung-stuttgart.de